Spiele – Ein Pool an Erzählformen & Interaktion

Spielen ist grundsätzlich eine kommunikative Auseinandersetzung und somit eine Interaktion zwischen Spielzeug und Spieler. Beziehungsweise zwischen den Mitspielern untereinander, und zwar unabhängig davon, ob es sich um analoge oder digitale Spiele handelt. Spiele sind stets ein Pool an Erzählformen und Interaktion. Es sind die Interaktionsmöglichkeiten, die sicherstellen, dass selbst die analogen, bisweilen anachronistisch wirkenden Brettspiele, den Verlockungen eines Computers trotzen können und sich eher steigender als sinkender Beliebtheit erfreuen. Es ist eben nicht immer entscheidend, wie groß die Möglichkeiten an strategischer und kommunikativer Komplexität sind. In dieser Hinsicht wäre der Computer stets überlegen. Entscheidend ist es, die richtigen Formen der Kommunikation und den richtigen Grad an strategischen Möglichkeiten in einer geeigneten Mischung anzubieten. Immer mehr Spiele kommen auf den Markt, die eine Kombination aus Analogem und Digitalem darstellen. Die hier gezeigte kleine Auswahl an Spielen ist im Rahmen der Buchthematik ›Screen- und Interfacedesign‹ besonders erwähnenswert.
Der Designer Frank Hegel entwarf mit ›Flobi‹ ein multimodales Spielzeug, mit dem die Sinne von Kindern gefordert und gefördert werden. Es soll zum gemeinsamen Spielen motivieren und Diskussionen, Kommunikation und Konfliktlösungen zur Unterstützung der kindlichen Entwicklung ermöglichen und das Sozialverhalten der Kinder fördern. Dies alles sind wesentliche Bestandteile und Folgen einer Interaktion (siehe auch ›Das Interface als Bedeutungsträger – Image, Branding‹ im Kapitel ›Interfacedesign‹).

›Flobi‹ von Frank Hegel.

›Flobi‹ von Frank Hegel.

LeapPad-Lernsystem von Leapfrog (www.leapfrog.de).

LeapPad-Lernsystem von Leapfrog (www.leapfrog.de).

Der Markt für Kinderspiele wird zunehmend mit Lernsystemen bereichert, die analoge mit digitalen Medien mal mehr, mal weniger gut miteinander kombinieren. Im Idealfall werden die individuellen Eigenschaften der jeweiligen Medien sinnstiftend vereint, so dass jedes sein Potenzial ausschöpfen kann und sich in der Kombination ein Mehrwert eröffnet. Das LeapPad-Lernsystem ist für Kinder im Alter von 4 bis 8 Jahren und besteht aus einem Computerelement, auf das Bücher eingelegt werden, die Teil des Lernspielzeugs sind. Mit dem Stylus lassen sich Worte, Texte und Abbildungen auswählen, die über einen Lautsprecher mit Stimmen, Musik oder Klängen erläutert werden bzw. deren Erläuterung begleiten (siehe auch ›Das Interface als Benutzeroberfläche – Der funktionale Aspekt‹ im Kapitel
›Interfacedesign‹).
Analoge Brettspiele, wie z. B. ›Mensch ärgere dich nicht‹, ›Back Gammon‹ oder ›Schach‹ bieten bereits zahlreiche Formen der Interaktion. Philips Research entwickelte mit dem ›Entertaible‹ einen Spieltisch, der die Eigenschaften eines klassischen Brettspieles mit den Möglichkeiten eines Computers und eines Flachbildschirms miteinander vereint. Durch eine Weiterentwicklung der Touchscreentechnologie zum Multi-Touch-Screen ist eine gleichzeitige Interaktion mehrerer Finger bzw. Personen am Brettspielmonitor möglich. Die Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Spielern untereinander bzw. zwischen Spieler und Brettspiel können durch Bildwechsel, Bewegtbild, Ton, Geräusche, Musik und durch die computerbedingten Eingriffsvarianten enorm gesteigert werden. Die Positionen der einzelnen Spielerfiguren können erfasst werden und je nach Spiel und Thema erhalten die Spieler Aufgaben, erfahren Unterstützung oder werden Hindernissen ausgesetzt. Die Spieler können sich gegenseitig bewusst behindern oder sich wichtige taktische Informationen zuspielen, um als Team eher zum Ziel zu gelangen. Das erste realisierte Spiel ist ›Yellow Cab‹, bei dem die Spieler als Taxifahrer den Schwierigkeiten des Straßenverkehrs ausgesetzt sind und in diesem Umfeld Aufgaben lösen und Hindernisse überwinden müssen.

›Entertaible‹ von Philips Research (Entertaible is a trademark of Royal Philips Electronics; Fotos: Philips Eindhoven).

›Entertaible‹ von Philips Research (Entertaible is a trademark of Royal Philips Electronics; Fotos:
Philips Eindhoven).

Computerspiele bilden einen großen Pool an interessanten Interaktionstechniken und Repräsentationen von Bedienelementen. Sie nutzen alle Erzählvarianten und schaff en es, den Anwender mental fast vollständig in ihre virtuelle Umgebung zu involvieren. Dank der Dramaturgie und des Umstandes, dass der Anwender herausgefordert wird, identifiziert er sich mit den Figuren und dem Sachverhalt. Dieser emotionale Zustand wird durch folgende Elemente beeinflusst:

  1. Kontraste und Paradoxien: Aufwerfen von interessanten und widersprüchlichen Problemen
  2. Überraschung: unterschiedliches Feedback bei Navigationsund Dialogsituationen
  3. Neugierde: zum Erkunden anregen
  4. Erregung: Ansprechen persönlicher Emotionen
  5. Humor

›Play‹ und ›Game‹

›Play‹ und ›Game‹

Spiele unterscheidet man traditionell in ›Play‹ und ›Game‹. ›Play‹ steht dabei für schauspielerische Darbietungen und für Spiele aller Art für Kinder wie für Erwachsene. Hingegen geht es beim ›Game‹ in erster Linie darum, den Stärkeren festzustellen, was für das Kämpfen bzw. gemeinsame Spielen die Aufstellung von Regeln voraussetzt. Die Regeln und der daraus resultierende Wettkampf bzw. Auseinandersetzung stehen bei ›Game‹ im Gegensatz zum ›Play‹ im Vordergrund.
Es werden aber zunehmend Spiele entwickelt, die ›Game‹ und ›Play‹ miteinander verbinden. Somit muss eine Dramaturgie des Computerspiels die narrativen Elemente des ›Play‹, die interaktiven Konfl ikte des ›Games‹ und die Integration von ›Game‹ und ›Play‹ implizieren. Dadurch zeigt sich, dass gerade beim Computerspiel das Interactiondesign, die Inszenierung einer Interaktionsmöglichkeit, wichtiger Bestandteil der Erzählung und somit auch der Gestaltung ist.
Computerspiele können sehr komplex sein und bieten dem Anwender dann sich immer wieder verändernde Eindrücke. Deren Repräsentanz und Bedeutung für ihn müssen mit entsprechenden Darstellungen und Interfaces nachvollziehbar gemacht werden, damit er seinen Wünschen und den Notwendigkeiten des Spiels entsprechend reagieren, aber auch agieren kann. Es gilt, die Illusion einer echten Beeinflussbarkeit des Spielverlaufs zu vermitteln.
Um die jeweiligen Zugänge zum Spielinhalt und den einzelnen Funktionen zu erleichtern und um die Erzählung zu unterstützen und den Spieler in den Bann des Spieles zu ziehen, sind die einzelnen Interaktionsformen komplex und oftmals dynamisch verfügbar oder sogar individuell inszeniert. Damit eine Funktion oder ein Ereignis ausgelöst wird, genügt es nicht, einen Knopf zu drücken. Der Spieler muss Zusammenhänge erkennen und diese kombiniert einsetzen, um die gewünschte Funktionalität in Gang setzen zu können. Interactiondesign erzeugt und nutzt die Erfahrung des Spielers. Dies findet auch bei dem bereits erwähnten Adventure-Game ›Myst‹ seine Anwendung. Dort finden sich Spuren menschlicher Wesen, seltsame Apparaturen, deren Sinn sich erst mit der Zeit durch logische Kombinationen erschließen. So wie sich der gesamte Plot erst mit der Zeit durch Suchen und Finden von Informationen und Werkzeugen erschließt.
Die Erfüllung im Spiel ergibt sich durch das Erforschen und Entdecken einer Interaktion zwischen Aufgabensteller (in der Regel der Autor des Spiels) und Spieler und dem Lösen von Aufgaben. Wird das Spiel in Gruppen gelöst, erweitert sich die Interaktion um die echte zwischenmenschliche Interaktion. Diese kann live und direkt durch das gemeinsame Spielen im Internet oder über Foren und Chats erfolgen, die parallel zum Spiel bedient werden. Durch die dynamischen Möglichkeiten einer Internetanbindung lassen sich sowohl die Inhalte als auch die Interaktionsformen erweitern.